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New Work in MV: arbeiten, wann und wo du willst?
Klassisches 9-to-5, starre Hierarchie-Strukturen und Großraumbüro: Das will die New-Work-Bewegung nach Frithjof Bergmann aufbrechen und neu gestalten. Wie sieht es mit dieser Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern aus und welchen Einfluss hat die Covid-19-Pandemie? Im Gespräch mit Rea Engel, die beim Projekt mv-works die „Arbeitswelt 4.0“ der Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern untersucht und sichtbar machen möchte.
Hallo Rea! Beginnen wir mit der Frage: Was bedeutet New Work für dich?
Für den Menschen als Individuum, und so verstehe ich es auch privat, ist Arbeit immer Teil der eigenen Identität. Daher ist sie immer persönlich und sollte die eigene Entwicklung fördern und die eigene Entfaltung ermöglichen. Die Arbeit, die das ermöglicht, kann je nach Lebensphase ganz unterschiedlich aussehen und sich mit dem Leben verändern. Das macht New Work für mich aus. Einer der wichtigsten Faktoren dafür ist das neue Miteinander, insbesondere das Selbstverständnis des Mitarbeiters und damit seine Rolle im Unternehmen. Klassische Lohnarbeit definiert sich vorrangig durch die Abarbeitung von Aufgaben in einem gewünschten Zeit- und Qualitätsrahmen. Dagegen sind flache Hierarchien, individuelle Förderungen, moderne Fehlerkultur, ausgeprägte Mitbestimmung oder interdisziplinäre Teams, Anzeichen dafür, dass sich die Definition von Arbeit in einem Unternehmen wandelt und somit zur neuen Arbeit wird.
Wie stehst du denn zu dem klassischen Konzept der neuen Arbeit nach Frithjof Bergmann?
Betrachten wir die aktuell geführte New Work Debatte, wird New Work häufig zu schnell mit dem Konzept von Bergmanns gleichgesetzt. In meinen Augen ist sie weniger gesellschaftlich tiefgreifend, sondern eher eine Reaktion auf etwa die Globalisierung, der zunehmenden Wettbewerbsgeschwindigkeit und dem Bedürfnis der neuen Arbeitsgeneration nach einem höheren Individualisierungsgrad.
Im Projekt mv-works behelfen wir uns in der Definition von neuer Arbeit mit der Betrachtung verschiedener Handlungsfelder, wie Arbeitsorganisation, Kommunikation, Führen, Arbeitszeit, Gesundheitsmanagement, Qualifizierung, Beteiligung, Entgelten und so weiter. Diese Bereiche können systematisch erarbeitet und hinterfragt und bewertet werden. Es geht also nicht um die Beantwortung der philosophischen Frage nach dem „was wir wirklich, wirklich wollen“ des Fritjof Bergmanns. Es sind aber auch nicht die Kicker-Tische und Obstkörbe in hippen Büros, die diesen Begriff ausmachen, auch wenn sie oft damit in Verbindung gebracht werden.
Und was für eine Rolle spielt New Work bei deiner Arbeit? Was machst du genau?
Ich arbeite für das Projekt mv-works im Kompetenzzentrum Arbeit 4.0 in Mecklenburg – Vorpommern an der Frage: Wie verändert sich die Arbeitswelt in den Unternehmen Mecklenburg – Vorpommerns durch digitale Prozesse? Welche Herausforderungen gibt es und welche Lösungen wurden gefunden? Wie können Unternehmen bei Veränderungen unterstützt werden? Hierbei suchen wir Good-Practice-Beispiele aus dem gesamten Land und arbeiten diese auf. Wir sind im Gespräch mit Unternehmen, begleiten sie bei konkreten Projekten und lernen mit ihnen gemeinsam, wie Mitarbeiter*innen und Geschäftsführung aktiv und gemeinsam die Unternehmenszukunft gestalten können.
Wie können erste Schritte für Unternehmen in Richtung New Work aussehen?
Ein erster Schritt ist, wie schon gesagt, das Bewusstsein dafür, dass Veränderungen im Unternehmen eine Herausforderung sind, die das gesamte Unternehmen betreffen und die gemeinschaftlich, also mit den Mitarbeiter*innen gemeinsam, gestaltet werden sollte. Hierbei steht sicherlich die Befähigung der Mitarbeiter*innen zu partizipieren, sich einbringen zu können, an vorderster Stelle. Sich also über die Auswirkungen von Strukturen und Hierarchien im eigenen Unternehmen im Klaren zu sein, kann ein erster Schritt sein.
Du hast gerade schon von Partizipation gesprochen. Wie verändert New Work Führung?
Wichtig ist, dass wir verstehen, dass Führungskräfte nicht Tätigkeiten überwachen, die Abarbeitung von Aufgaben monitoren und der höheren Leitung die KPIs reporten. Sondern, dass sie, wie der Begriff Führung schon andeutet, Menschen anleiten, zu einem Ziel hinführen. Sie sind Botschafter des Unternehmens, Botschafter des Wertebilds im Unternehmen und sie zeigen ihren Mitarbeitern den jeweiligen Handlungsrahmen auf. Die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter erfordert daher eine hohe soziale Kompetenz.
Arbeiten Start-ups immer mit New-Work-Strukturen oder ist das ein Klischee?
Da wir nun wissen, dass die Raumgestaltung nicht gleich New Work ist, muss ein Start-Up nicht auch gleich New-Work-Vorreiter sein. Es ist wohl eher ein Klischee. Es ist individuell zu betrachten, wie das Gründungsteam oder der/die der Gründer*in ihre Arbeitswelt gestalten wollen und können. Sicherlich liegt es nahe anzunehmen, dass ein Unternehmen im Aufbau leichter bestimmte Werte, Strukturen und Prozesse einbetten und verändern kann, als ein Unternehmen, das langjährige Strukturen neu bewertet und verändert.
Und in welcher Phase der New-Work-Entwicklung befinden wir uns in MV gerade? Ist die Arbeitswelt mittendrin, neue Strukturen zu integrieren oder stehen wir noch ganz am Anfang?
Wir sind in Mecklenburg-Vorpommern mitten drin. Als „frische“ Rückkehrerin aus Berlin schienen mir, ehrlich gesagt, diese Entwicklungen in Metropolregionen immer etwas weiter vorrangeschritten und dynamischer als in MV. Ich muss sagen, dass ich überrascht bin und immer wieder erstaunt, dass viele der Unternehmen, mit denen wir nun das Gespräch suchen oder die uns ansprechen, sich ganz bewusst mit ihrer Arbeitswelt auseinandersetzen und ganz moderne Lösungen finden.
Was unterscheidet denn die Branchen hinsichtlich ihrer Möglichkeiten für New Work?
In den verschiedenen Branchen und Unternehmen gibt es ganz unterschiedliche Anforderungen. Der familiengeführte Handwerksbetrieb mit 50 Mitarbeiter*innen und der Produktionsbetrieb mit 300 Mitarbeiter*innen, der in eine Konzernstruktur eigebettet ist, haben ganz andere Arbeitswelten und Handlungsmöglichkeiten. Das bedeutet aber nicht, dass es für die einen sehr einfach und für die anderen unmöglich ist, etwas zu verändern. In einem vergangenen Gespräch wurde dies mit dem sehr einfachen Worten „Die Art und Weise wie man mit Menschen umgeht, kann jeder beeinflussen“ sehr schön auf den Punkt gebracht.
Wo liegen deiner Meinung nach Schwierigkeiten bei der Umsetzung? Gibt es da so klassische Probleme?
Eine schwierige Frage. Vielleicht möchte ich eher sagen, es gibt einen klassischen Anfang. Mit dem Anstieg an Komplexität und Geschwindigkeit von Unternehmensprojekten steigt der Bedarf an engagierten, mitdenkenden, selbstbewussten Mitarbeiter*innen. Wir nennen diese gern Gestalter. Und die Mitglieder der Geschäftsführungen suchen in ihren Unternehmen diese Menschen, mit denen Sie gemeinsam Projekte und Strategien, also die Zukunft des Unternehmens, gestalten können. So fängt es an. Daraus ergeben sich je nach Unternehmen eigene Fragestellungen und Herausforderungen. Für uns heißt das vor allem, Unternehmen auf ihrem persönlichen Entwicklungsstand abzuholen und zu schauen, wie weitere Schritte aussehen könnten.
Ein häufiger Kritikpunkt von New Work ist, dass MitarbeiterInnen ständig erreichbar sind und mehr Arbeit leisten, weil sie keinen festgelegten Feierabend oder Wochenende haben. Was sagst du dazu?
Wenn man zu diesem Schluss kommt, ist New Work, zu einfach ausgelegt. Beim Punkt Selbstorganisation der Arbeit, darauf bezieht sich sicherlich die Frage, ist dies in vielen Fällen ein Lern- und ein Vertrauensprozess im Team. Das freie Arbeiten bedeutet für mich persönlich ein Vertrauensvorschuss, den mir meine Führungskraft gibt, mit dem ich transparent und ehrlich umgehe. Sie hat nichts damit zu tun, dass ich 24/7 für das Team erreichbar bin.
Stichwort Corona-Krise und Home Office: Glaubst du, dass manche Elemente wie das mobile Arbeiten und flexible Arbeitszeiten auch nach der Krise mehr und mehr in die Unternehmen integriert werden?
Ich denke schon, dass uns durch die gesammelten Erfahrungen auf Seiten der Arbeitnehmer- und Arbeitgeber diese Elemente erhalten bleiben. Auch uns interessiert die Frage sehr und wir haben gerade eine Befragung erarbeitet, die uns einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen geben soll.
Selbst bei uns im Team hat sich die Arbeit verändert. Auch vor der Corona-Krise hatten die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten und das Werkzeug, dass dies ermöglicht. Wir haben meist einen maximal zwei Tage von zu Hause oder unterwegs gearbeitet. Meist, wenn wir in Ruhe etwas recherchieren wollten. An den restlichen Tagen waren wir im Büro. Derzeit ist es eher umgekehrt. Jetzt arbeiten wir vorrangig von zu Hause und nehmen uns jetzt an einem bis zwei Tagen im Büro gezielt Zeit für die gemeinsame Zusammenarbeit als Team. Was bleibt, ist also das Nachdenken darüber, für welche Aufgabe ich welche Arbeitsumgebung brauche.
Vielen Dank für das Interview, Rea!
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